Von der Faszination über Musik und Kunst
Musikkurs der Q2 zur Exkursion in Berlin
Am Donnerstag nach der vierten Stunde ging unser kleines Abenteuer los. Wir, der Musikkurs (der Q2) von Herrn Penner, stiegen zu neunt in den Schulbulli ein, um nach Berlin zu fahren.
Schon die Fahrt dorthin hat viel Spaß gemacht, obwohl wir vier Stunden lang unterwegs waren. Wir hörten die Musik aus der Oper Tosca, um uns schon einmal darauf einzustimmen. Zwischendurch konnten wir nicht mehr aufhören zu lachen, einfach weil wir uns gegenseitig damit angesteckt haben. Als wir endlich in unserem Hotel angekommen sind, waren wir erstaunt, wie künstlerisch es darin aussah. In den Fluren waren nämlich pink gestrichene Wände und einige Gemälde, sodass wir uns schon im Hotel künstlerisch einstellen konnten.
Zu unserer ersten Aktion, dem Jazz-Abend, sind wir gerade noch rechtzeitig gekommen. Allerdings wusste keiner von uns, was genau Jazz ist. Deshalb waren wir bei dem ersten Bandauftritt ein wenig überfordert. Die Bands bestanden aus Musikstudenten, die erst ein Semester Musik studiert hatten. Über der Bühne war ein Gemälde projiziert, zu dem dann die Improvisation gespielt wurde. Manchmal wurde das Tempo der Musik so schnell und dissonant, dass wir unterbewusst versuchten, irgendwo ein wenig Struktur wiederzufinden. Auch bei den anderen zwei Bands war die Musik sehr überwältigend, außer, dass in der zweiten Band zusätzlich zwei Studentinnen gesungen haben. Ihre Stimmen haben sehr gut miteinander harmoniert. Die dritte Band spielte zu dem Thema Klimaschutz ein Arrangement von Michael Jacksons Song „Heal the world“. Dieses Arrangement war so verfremdet, dass wir kaum das originale Lied erkennen konnten. Wir haben also sehr eindrucksvolle Jazz-Musik gehört, die uns ins Nachdenken gebracht hat.
Am nächsten Tag hatten wir das Privileg, die alte Nationalgalerie von Berlin zu besichtigen. Mich persönlich hat diese Galerie sehr inspiriert. Die Skulpturen und die Gemälde waren sehr faszinierend. Oft standen wir lange vor einem Gemälde, um es auf uns wirken zu lassen, als ob es eine Geschichte erzähle. Ganz oben im Gebäude hingen Ölgemälde von Claude Monet und die berühmten Gemälde der Romantik von Caspar David Friedrich. Von ihm hat mir besonders das Gemälde „Abtei im Eichwald“ gefallen, denn es strahlt eine mystische Spannung zwischen Erde und Himmel aus. Kahle Äste von Eichbäumen ragen in den Himmel, als sehnen sie sich nach Erlösung. Tiefsinnig und faszinierend schweben die leichten Dämmerungsstrahlen über dem düsteren Erdreich, die der dunklen Erde Hoffnung verleihen. All diese Gemälde haben uns sehr inspiriert, denn Kunst hat diese sanfte Macht, die Seele anzurühren.
Nach einem gemütlichen Mittagsessen und U-Bahnfahren kamen wir wieder zurück ins Hotel. Wir hatten ein wenig Zeit, um uns mental auf die nächste Aktion einzustellen. Gespannt betraten wir wieder einmal die U-Bahn und fuhren los. An der Haltestelle „Deutsche Oper“ stiegen wir aus. Und tatsächlich, ein paar Schritte weiter sahen wir endlich das Gebäude der Deutschen Oper. Mit hohen Erwartungen betraten wir sie, denn wir haben „Tosca“ schon als Vorbereitung im Musikunterricht besprochen. Als es endlich losging, waren wir sehr beeindruckt. Schon allein das Bühnenbild war eine Kunst, und dazu kamen noch die Opernsänger. Die Geschichte von Tosca wurde sehr spannend gespielt, obwohl wir die Handlung bereits kannten. Selbst in der Oper zu sitzen und hautnah die Schauspieler singen zu hören, war ein ganz besonderes Erlebnis. In Tosca geht es nämlich darum, wie politische Konflikte durch die Bewegung der Französischen Revolution in Italien entfacht wurden. Tradition und Neuerungen standen in einem großen Konflikt, weshalb zum Schluss alle Helden ihr Leben für Gleichheit und Freiheit aufopfern.
Wir alle verließen die Oper sehr beeindruckt. Es ist immer wieder erschreckend, wenn Religion zur eigenen Macht missbraucht wird, und wie nah sich Tod und Hoffnung sein können. An uns alle gelten die Herausforderung, wie wir mit Freiheit und Unterdrückung umgehen und ob wir den Mut haben, unsere Stimme für das Gute zu erheben.
Am nächsten Morgen stand uns unser letztes Ziel bevor: der Besuch eines messianisch-jüdischen Gottesdienstes. Das alles war für uns völlig neu, denn es gab eine feste Liturgie, wo eine Thora-Rolle hervorgeholt wurde und in Hebräisch daraus vorgelesen wurde. Jeder, der wollte, durfte die Thora-Rolle mit seiner umhüllten Hand küssen. All diese Rituale waren uns fremd, und dennoch sehr bemerkenswert, denn dadurch drückte sich die Ehrfurcht vor Gott auch visuell aus.
Die Lieder haben wir in drei Sprachen mitgesungen: auf Hebräisch, Russisch und Deutsch. Während des Singens klatschten die Menschen fröhlich mit und erlebten eine bewegende Freude. Diese Freude beim Singen hat sich auch auf uns übertragen, obwohl es eine kleine Herausforderung war, schnell zwischen den drei Sprachen zu wechseln. Zum Schluss wurde eine russische Predigt aus 2. Mose gehalten, die ins Deutsche übersetzt wurde. Inhaltlich ging es hier um das Volk Israel, das so stark im Selbstmitleid versunken war, dass sie nicht Gottes Zusage auf Rettung glauben konnten. Der Prediger hat diese Situation auf uns Menschen heutzutage übertragen- nämlich, dass wir auch oft nicht mehr Gottes Zusage glauben wollen weil wir Menschen in unseren eigenen Problemen feststecken. Seine Aufforderung hieß, uns zu überprüfen, ob wir noch im Selbstmitleid stecken, oder wieder auf Gottes Hoffnungszusagen schauen.
Mit all diesen Eindrücken fuhren wir schließlich zurück nachhause. Auf der Rückfahrt haben wir uns wieder die Lieder von Tosca angehört, und noch alle Erlebnisse verarbeitet. Mich hat die ganze Exkursion in Berlin vieles gelehrt: einerseits, dass Kunst und Musik sehr göttlich sein können; andererseits, wie böse Menschen sein können und religiöse Handlungen für egoistische Ziele missbrauchen. Es liegt an uns, wie wir die Welt prägen, und welche Spuren wir hinterlassen. Unsere Entscheidungen spielen eine Rolle für die Gesellschaft um uns herum- sind wir mutig genug, für das Gute und Wahrhaftige einzustehen?
Anita Lust, Q2